Die ganze Welt spricht von Digitalisierung. Die rasanten Entwicklungen machen auch vor der Event-Branche nicht halt. Was das bedeuten kann und wie man sich den Veränderungen stellt, zeigte der erste Event Circle 2019 auf. Im Casinotheater in Winterthur wurde auch der diesjährige «Meet the Future Award» verliehen.
Text: Michael Hutschneker
„Radikal Digital“, so das Thema des ersten Event Circles in diesem Jahr. Ganz so radikal war indes der Auftakt nicht. Denn die servierten Konfi-Zopf-Brötli zum Begrüssungskaffee strahlten im Casinotheater Winterthur eine fast schon gemütlich-entspannte Stimmung aus. Es werde viel über Digitalisierung gesprochen, meinte Moderatorin Judith Wernli in ihrem Willkommensgruss, dennoch sei die Thematik nicht fassbar. Die angesagten Referate und Präsentationen sollten da etwas Licht in den Dschungel bringen.
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Für den ersten Referenten bestehen keine Zweifel: Ursprung der Digitalisierung sind immer Daten. Sowohl im Business wie auch im privaten Bereich, bis hinein in den Haushalt. „Daten sind das Erdöl der Zukunft“, so Mario Fürst, der bei der Siemens Schweiz AG verantwortlich für den Bereich Digitalisierung zeichnet. Federführend sei etwa die Automobilindustrie, doch durch die Digitalisierung würden sich ganze Berufsmechanismen einsparen lassen. Ein grosses Thema sei die Digitalisierung aber auch im Office-Bereich. Hier könne praktisch alles was Routine ist durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Auch bei langweiligen Tätigkeiten kann diese Entwicklung eine Hilfe sein, den Menschen ersetzen wird sie aber nie!
„Wenn Sie neugierig bleiben, machen Sie alles richtig!“
Die Richtung ist vorgegeben: Mittels Geschwindigkeit, Flexibilität, Qualität und Effizienz mit immer weniger Resourcen mehr leisten. Fürst zeigte den 80 anwesenden Event-Profis mit Beispielen auch auf, was unter dem Begriff „Digitaler Zwilling“ zu verstehen ist. So etwa der Bau eines Private Jets, bei welchem die Digitalisierung als Entscheidungsgrundlage dient. Und wenn eine Produkteentwicklung mit dem Event-Management perfekt abgestimmt ist, kann auch ein eigentlicher Coup zu einem unerwarteten Erfolg führen. So wie das den Pilatus Flugzeugwerken an der EBACE 2014 (European Business Aviation Convention & Exhibition) in Genf mit der Präsentation eines PC24 gelungen ist. Am Messestand wurde auf einem Bildschirm die Anzahl der verkauften Flugzeuge angezeigt. Die Kundschaft war ob des Produktes sowie auch dem Auftritt offenbar begeistert. Denn noch während der Messe wurden 90 Flugzeuge verkauft und es konnten keine weiteren Bestellungen mehr entgegengenommen werden.
Die Währung heisst Aufmerksamkeit
Nach dem Begrüssungskaffee hatten die Teilnehmer während der Pause eine weitere Gelegenheit, sich mit Getränken, Smoothies serviert vom Bauchladen und feinen Mini-Brioches zu erfrischen und beim Networking in entspannter Atmosphäre neue Kontakte zu knüpfen und sich mit bekannten Branchenkollegen auszutauschen.
Über die Tatsache, dass sich die Digitalisierung in allen Branchen lawinenartig ausbreitet, wie es die Moderatorin bei der Ankündigung des nächsten Referenten erwähnte, liess Maks Giordano keine Zweifel. Zwar, so der Managing Partner und Co-Founder der Agentur Kreait, seien viele Branchen von der Digitalisierung im Kern nicht betroffen, aber die Welt rundherum drehe sich brutal schnell. Es sei schlicht unfassbar, was in den letzten zehn Jahren entstanden sei. Im Vergleich zum Menschen, der linear unterwegs sei, hätten die Entwicklungssprünge bei der Technologie eine ganz andere Dimension. «Das Smartphone ist die Fernbedienung für das Leben», so der Referent. Mit sehr vielen Geräten könne man heute schon sprechen, Alexa von Amazon verkaufe sich millionenfach oder etwa die Entwicklung beim E-Sport, bei dem es Beträge in Millionenhöhe geht.
Aufmerksamkeit ist eine echte Währung!
Die Kernfrage lautet: Wie erlange ich Aufmerksamkeit. „Aufmerksamkeit“, so Giordano, ist eine echte Währung!“ Er rief die Anwesenden dazu auf, radikal zu denken. So werde das 5G ausgerollt mit einer ganz anderen Dimension. Da komme irre viel auf uns alle zu. Wir müssen uns damit beschäftigen, dass die Entwicklung extrem rasant weitergeht und wir mit diesem Wandel umgehen müssen. Es gelte, an den Horizont zu denken: Was ist in drei, fünf oder zehn Jahren... Und trotz aller rasanter Veränderungen: Am Ende des Tages entscheidet jeder selbst über sein Verhalten. Giordano: «Niemand zwingt uns, keine Bücher mehr zu kaufen und ebenso kann mich niemand zwingen, alles bargeldlos, also digital zu bezahlen.»
Kultur und Kulinarik
Bei der Präsentation des Location Partners erwähnte Geschäftsführer Beat Imhof, dass die Meisten der 120 Aktionäre Künstler sind. Das im Jahr 2002 von Victor Giacobbo und Patrick Frey gegründete Casinotheater Winterthur bezeichnet sich denn auch zurecht als „Haus von Künstlern für Künstler“. Als eines der grössten Theaterhäuser, welches ohne Subventionen auskommt, sei man intensiv damit beschäftigt, den Betrieb gemeinsam mit Sponsoren, Partnern und selbstverständlich möglichst zahlreichen Events zu finanzieren. Nebst dem Theaterbetrieb eignet sich das Haus für Bankette, Apéros, Seminare, Versammlungen und vieles mehr und natürlich spielt auch die Gastronomie eine tragende Rolle. Diese möchte man künftig im Markt besser positionieren. So erhält das Restaurant im Sommer einen eigenen Namen und das ganze Haus einen neuen Auftritt.
Dass das Casinotheater Winterthur nicht nur im künstlerischen Bereich sondern eben auch kulinarisch Glanzpunkte zu setzen mag, zeigte sich beim anschliessenden Stehlunch. Die lukullischen Köstlichkeiten stiessen ausnahmslos auf Begeisterung und trugen das ihre zur anhaltend positiven Stimmung bei angeregten Gesprächen bei.
„Man sollte die Jungen involvieren, sich entfalten lassen und die Möglichkeiten der Branche aufzeigen, in dieser Fuss zu fassen und Kontakte zu knüpfen“. Dominique Ruckstuhl von SWITCH erklärte in diesen kurzen Worten die Idee des vom EMC verliehenen „Meet the Future Award“ (mtfa). Aufgabe war es für die Studierenden, einen Kundenanlass mit 300 Teilnehmern und einem Kostendach von 250‘000 Franken mit allen Details auszuarbeiten. Von den sechs Einreichungen haben es schliesslich drei Gruppen – alle von der Università della Svizzera Italiana in Lugano – in den Final geschafft. Die Studierenden durften im Rahmen des Event Circles und unter aufmerksamer Beobachtung der Jury (Carolyn Banderet, MCI Schweiz; Tanja Gutmann; Beat Imhof, Casinotheater Winterthur und Beatrix Troschke, F. Hoffmann – La Roche AG) ihre Projekte in max. 15 Minuten vorstellen. Als Siegerin hervorgegangen war schliesslich das Projekt unter dem Titel „Gala du Soleil“. Dank den Sponsoren Xaver Award und MCI Schweiz durften Ylenia Gervasoni, Francesca Gianini und Viola Kola einen Check über CHF 1‘000.- als Preisgeld entgegennehmen und eine Studierende hat die Möglichkeit, sich bei MCI Schweiz für eine Praktikumsstelle zu bewerben.
Marktplatz für flexible Arbeit
Alles muss heute „just in time“ sein. Auch das Personal für einen Event jedwelcher Art. „Wie sie die Digitalisierung des Workforce Managements zu ihrem Vorteil nutzen können“, zeigte Victor Calabrò den Event-Profis in seinem Referat auf. Selber einmal als Event-Organisator in der Situation für ein Projekt über zu wenig Personal zu verfügen, nahm die Geschichte von Coople (Schweiz) AG ihren Lauf. Wie der Gründer des Unternehmens ausführte, hing das Thema Personal oft etwas schief in der Landschaft und hat sich in ein flexibles Personal-Management hinein bewegt. Dass heute alles schneller und kurzfristiger abläuft, beeinflusst auch die Schwankungen. Mit der Gestaltung eines flexiblen Personal-Managements kann man dieser Entwicklung erfolgreich begegnen. Wie Calabrò erwähnte, gibt es viele Menschen, die in ihrem Zentrum nicht die Arbeit haben, respektive welche die Arbeit rund um ihr Leben gestalten. Es gäbe sehr viele valable Menschen die keinen festen Job haben und kurzfristig entscheiden können und wollen, wo und wann sie arbeiten. Den grundsätzlichen Lösungsansatz sieht der Referent bei der Anpassung der Personalplanung an die eigenen Bedürfnisse, respektive der Adaption der Personaldecke an die eigenen Bedürfnisse. Insbesondere aus folgenden Gründen rät der Coople-Gründer den Event-Profis bei der Personalplanung eine Digitalisierung in Betracht zu ziehen: Reduktion der Aufwände, Beschleunigung der Prozesse (Flexibilität) und Nutzung von zentralisierten Pools und Services.
Grosses Kino
Nach so viel Digital sollte es noch zu einem analogen Schlussbouquet übergehen. Als Show Act durfte die Moderatorin die erfolgreiche Slam Poetin Lisa Christ ansagen. Seit 2007 tritt sie regelmässig an Poetry Slams auf und weshalb sie mit dem U20 Schweizermeistertitel ausgezeichnet wurde, ist den Event Profis spätestens seit dem Event Circle in Winterthur klar. Ihr Auftritt stiess durchwegs auf Begeisterung und entlockte nicht nur manchen Lacher sondern regte auch zum Nachdenken an. Ganz grosses Kino! Und Lisa Christ wäre nicht Lisa Christ, wenn sie die exzellente Gelegenheit nicht auch noch genutzt hätte um leicht verschmitzt anfügte, dass sie auch passende Texte für Events schreibe....
Den Abschluss des ebenso aufschlussreichen wie anregenden EMC bildete die kurze Zusammenfassung von Tagesmoderatorin Judith Wernli sowie ein weiteres ungezwungenes «Socializing» beim reichhaltigen Apéro mit feinen Tropfen und Köstlichkeiten aus der Casinotheater-Küche.
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